Müns­te­raner Ener­gie­be­rater fordern höhere Stan­dards für Wärmedämmung

In Münster streiten Poli­tiker ver­schie­dener Par­teien mit Experten über die Anfor­de­rungen an den Wär­me­dämm­stan­dard von Gebäuden. Der Kli­ma­beirat ver­langt schär­fere Anfor­de­rungen für Neu­bauten auf städ­ti­schem Boden und auf Grund­stü­cken, die von der Stadt ver­kauft worden sind. Hin­gegen fordert u.a. die SPD-Rats­frak­tion, alle städ­ti­schen Vor­gaben für die Wär­me­däm­mung zu strei­chen und künftig ledig­lich die schwä­cheren Bestim­mungen der EU zu befolgen. Ähnlich posi­tio­niert sich auch die FDP dazu.

Jetzt nehmen Müns­te­raner Ener­gie­be­rater Stel­lung in der Aus­ein­an­der­set­zung. »Es ist nicht ver­ant­wortbar, Häuser unzu­rei­chend zu dämmen,« heißt es in einem Posi­ti­ons­pa­pier (hier Down­load als pdf): »Den nach­hal­tigen Dämm­stoffen, die wieder in die Stoff­kreis­läufe zurück­fließen, gehört die Zukunft.« Die Ener­gie­be­rater kri­ti­sieren: »Anträge seitens einiger poli­ti­scher Par­teien, Ener­gie­stan­dards zu senken, bedeuten eine geringe Wert­schät­zung bestehender Klimaschutzziele.«

Netz­werk Müns­te­raner Ener­gie­be­rater: Klima schützen mit nach­hal­tiger Wärmedämmung

Die kon­tro­verse Dis­kus­sion in den Medien über das Dämmen von Häusern ver­un­si­chert die Bürger. Wie soll ener­ge­tisch saniert werden, wie soll der Neu­bau­stan­dard sein? Das Ener­gie­be­ra­ter­netz­werk Münster ist der Meinung: Aus­rei­chende Dämm­stoff­di­cken sind die wich­tigsten Fak­toren beim ener­gie­ef­fi­zi­enten Bauen und Sanieren für den Kli­ma­schutz. Letzt­lich sind sie auch günstig für den Geld­beutel von Haus­be­sit­zern oder Mietern.

Kon­tro­verse Diskussion

Momentan häufen sich die Dis­kus­sionen über Sinn und Unsinn des Dämmens von Häusern. Damit wird der bald anste­hende Beschluss der Stadt Münster zum ein­zu­hal­tenden Ener­gie­stan­dard für städ­ti­sche Grund­stücke begleitet. Die Öffent­lich­keit und Teile der Politik kri­ti­sieren dabei die ener­ge­ti­sche Sanie­rung von Häusern und vor allem die hohen Dämm­stan­dards. Ener­gie­be­rater und jetzt auch der Müns­te­raner Kli­ma­beirat raten aller­dings drin­gend dazu, die bisher geplanten Ziele mit hohem Dämm­stan­dard einzuhalten.

Am 28. Februar 2018 sprach der renom­mierte ARD-Wet­ter­ex­perte Sven Plöger im Müns­te­raner Rat­haus­fest­saal über die gra­vie­renden Wet­ter­ereig­nisse, die uns nicht nur bevor­stehen, sondern die bereits schon statt­ge­funden haben. Das hat nicht nur wirt­schaft­liche sondern auch für viele Men­schen ganz per­sön­liche Folgen. Glo­baler Kli­ma­wandel bedeutet nämlich auch, dass Teile der Erde unbe­wohnbar werden und Flücht­lings­wellen aus­lösen. Fakt ist, dass sich der CO2-Ausstoß welt­weit kaum redu­ziert hat und 2017 laut For­schern des »Global Carbon Pro­jects« wieder leicht zunimmt[note]www.globalcarbonproject.org zitiert nach Spiegel Heft 46/​2017 vom 13.11.2017, Titel: »CO2-Ausstoß legt 2017 wieder zu« von Chris­toph Seidler[/note]. Auch Münster schafft nur gut die Hälfte der Ener­gie­ein­spa­rung, die zwi­schen 1990 bis 2020 erreicht werden sollten.

Die wich­tige Leis­tung der Dämmstoffe

Knapp 40 Prozent des gesamten CO2-Aus­stoßes wird durch den Gebäu­de­sektor ver­ur­sacht. Der »Mas­ter­plan 100 % Kli­ma­schutz« für das Jahr 2050, der durch die Stadt mit Bür­ger­be­tei­li­gung 2017 erstellt wurde, zeigt, dass Münster die Kli­ma­wende will. Wie passt dies mit den aktu­ellen Absetz­be­we­gungen der Politik zusammen? Die Behaup­tung, viel zu dämmen, bringt nichts, soll hier wider­legt werden. Das Effizienz­haus 40 hat bereits heute Dämm­stan­dards, damit später mit tech­ni­schen Nach­rüs­tungen ein Null­ener­gie­haus erreicht werden kann.

Und die Kosten?

Häufig kri­ti­sieren Gegner, dass gel­tende Neu­bau­stan­dards und Effi­zi­enz­h­aus­stan­dards die Kosten in die Höhe treiben. Bei Neu­bauten nach dem Min­dest­stan­dard (nach Ener­gie­ein­spar­ver­ord­nung EnEV) liegen die Mehr­kosten für Dämm­maß­nahmen, um ein Effizienz­haus 40 zu errei­chen, bei 35 Euro pro Qua­drat­meter. Bei durch­schnitt­li­chen Bau­kosten von 1600 bis 1700 Euro pro Qua­drat­meter Neubau sind diese Zusatz­kosten mar­ginal. Es gibt andere Fak­toren, die für teure Bau­kosten maß­geb­lich ver­ant­wort­lich sind. Nach Aus­sagen eines Gut­ach­tens im Auftrag des Bun­des­ver­bandes Erneu­er­bare Ener­gien (BEE) können höhere ener­ge­ti­sche Stan­dards sogar güns­tiger erreicht werden, wenn man Hei­zungs­technik und Gebäu­de­ge­stal­tung intel­li­gent kombiniert[note]Werner Eicke-Hennig: »Was darf die Zukunft kosten?« In: Gebäude Ener­gie­be­rater, Januar 2018, Seite 14–18[/note].

Kritik an Polystyrol

Zei­tungs­be­richte zu Dämm­ma­te­ria­lien beschäf­tigen sich meist mit Poly­styrol. Dieser Dämm­stoff wird seit Jahren in der Presse massiv unter Beschuss genommen, weil er leicht brennbar ist und später zu Son­der­müll wird. Was ist dran an dieser Kritik?

Tat­säch­lich sind die meisten Dämm­stoffe, ein­schließ­lich nach­wach­sender Roh­stoffe, brennbar und müssen dem­entspre­chend gegen Brand gesi­chert werden. Unsere Brand­schutz­ver­ord­nungen sind jedoch streng. Was ist dann eigent­lich das Problem am Poly­styrol? Nicht der Grund­stoff an sich ist pro­ble­ma­tisch, sondern der Energie-Input, also die För­de­rung von Erdöl, die ener­gie­in­ten­sive Pro­duk­tion dieser Dämm­platten und die che­mi­schen Zusätze des Dämm­ma­te­rials. Um die För­de­rung von Erdöl dras­tisch zurück­zu­schrauben, sollten in Zukunft zum Bei­spiel über das CreaSol-Verfahren[note] Claus Siegele: »Müll­berg wo bist du. Recy­cling von Dämm­stoffen«. Mai 2016, Seite 20–23[/note] alte Poly­sty­rol­platten recy­celt werden, um das Erdöl zurückzugewinnen.

Polystyrolentsorgung

Bild: Tren­nung und Enst­or­gung von Poly­styol bei Abriss

Um Häuser nach­haltig dämmen zu können, dürfen in Zukunft nur res­sour­cen­scho­nende Dämm­ma­te­ria­lien ein­ge­setzt werden. Das bedeutet nicht, dass wir nur noch mit Stroh und Hanf dämmen sollten, sondern dass Dämm­stoffe – egal welcher Her­kunft – mit geringem Ener­gie­ein­satz nach Ende der Nut­zungs­phase wieder zu neuen Dämm­stoffen ver­ar­beitet werden. Das Mate­rial geht also nicht ver­loren und wird auch nicht zu Son­der­müll, sondern zur Roh­stoff­bank der Zukunft. Das nennt man auch »Upcy­cling«. Hierfür gibt es eine Viel­falt an Dämm­stoffen auf dem Markt, die heute schon wie­der­ver­wendet werden können. Das Prinzip hat im Übrigen schon einen Namen: »Cradle to Cradle« – über­setzt: von der Wiege bis zur Wiege. Das heißt, durch das Recy­celn wird der Kreis­lauf geschlossen und es gibt keinen zu depo­nie­renden Müll mehr. Wenn dieser Kreis­lauf mit rege­ne­ra­tivem Ener­gie­ein­satz auf­recht­erhalten wird, ist das ganze kli­ma­neu­tral. Das ist keine Zukunfts­musik. Das Rathaus im nie­der­län­di­schen Venlo (City Hall) ist in dieser Bau­weise gebaut und zwar wirtschaftlich.

Fazit

Es ist nicht ver­ant­wortbar, Häuser unzu­rei­chend zu dämmen, weder für Kli­ma­schutz noch für die Geld­börse der Nutzer. Den nach­hal­tigen Dämm­stoffen, die wieder in die Stoff­kreis­läufe zurück­fließen, gehört die Zukunft. Bleibt der Wär­me­be­darf für den Gebäu­de­sektor hoch, wird die Menge an rege­ne­ra­tiver Energie mit­tel­fristig nicht reichen, um schlecht gedämmte Häuser zu heizen und einen Beitrag für die Erfül­lung der Kli­ma­schutz­ziele zu leisten. Anträge seitens einiger poli­ti­scher Par­teien, Ener­gie­stan­dards zu senken, bedeuten eine geringe Wert­schät­zung bestehender Kli­ma­schutz­ziele. Der Einsatz res­sour­cen­scho­nender Dämm­stoffe unter­stützt hierzu zusätz­lich den Kli­ma­schutz. Bezahl­bares Wohnen lässt sich in Zukunft nur mit effi­zi­enter und nach­hal­tiger Bau­pla­nung realisieren.

Silke Pute­anus, Energieberaterin
http://www.baubi-ene.de